Bevor die Reifeningenieure die Entwicklung eines Rennreifens beginnen, werden von den Entwicklungspartnern oder den Fahrzeugherstellern in einem Lastenheft die exakten Maße und das Anforderungsprofil des Rennreifens definiert – schließlich hängt zum Beispiel die Reifenbreite stark von der Kraft ab, die auf die Straße übertragen werden muss.

Die Reifenbreite und -höhe sowie der maximal erforderliche Lenkeinschlag geben die so genannte Max-Box vor. Als Max-Box bezeichnen Fachleute das erforderliche Platzangebot der Radhäuser, die die Abmessungen der Reifen festlegen. Bei der Entwicklung eines Straßenreifens ist das umgekehrt: Hier gibt die Fahrzeugindustrie dem Reifenhersteller die Maße der Max-Box vor, nach denen die Reifengröße festgelegt wird. Zusätzlich enthält ein spezielles Lastenheft die für die Reifenkonstruktion erforderlichen Eckdaten wie zum Beispiel Radlast, Geometrie der Radaufhängung oder zu erwartende Höchstgeschwindigkeit. Sind die Max-Box und die für die Entwicklung eines Reifens wichtigen Daten bekannt, werden die Dimensionen des Straßenreifens festgelegt.

Einheitsrennreifen sind Rennreifen, die speziell für eine Rennserie exklusiv verwendet werden, wie zum Beispiel in der DTM, im ADAC GT Masters oder in vielen anderen Rennserien. Er muss bei den unterschiedlichsten Rahmenbedingungen optimal arbeiten, sowohl bei kalten als auch bei heißen Temperaturen, bei hohen wie bei niedrigen Geschwindigkeiten und auf glattem aber auch auf griffigem Asphalt und soll dabei noch hervorragende Leistungswerte erzielen. Der Pneu darf auch unter extremen Belastungen nicht die Haftung verlieren. Doch nicht nur das: Der Rennreifen muss auch auf allen eingesetzten Fahrzeugen funktionieren – und auf allen Rennstrecken. Denn per Reglement sind die Reifen festgeschrieben, d.h. es wird eine Spezifikation, zumeist in Absprache mit dem Serienbetreiber, dem Technikausschuss und dem Reifenhersteller definiert, der normalerweise dann im Laufe der Saison nicht mehr verändert werden darf.

Für die Reifeningenieure wäre es sicherlich einfacher, für jeden Hersteller und für jede Rennstrecke einen passenden neuen Reifen zu bauen.

Pirelli ist Exklusivpartner der Formel 1

In der Formel 1 spricht man zwar auch vom exklusiven Reifenpartner, das bezieht sich hier jedoch mehr auf den Reifenhersteller Pirelli, der als alleiniger Lieferant den Teams die Rennreifen zur Verfügung stellt.

Für die jeweiligen Rennen der Saison kommen unterschiedliche Spezifikationen zum Einsatz, die sich in Mischung und/oder Konstruktion unterscheiden.

Je nach Anspruch des Streckenlayouts, der Aspahltbeschaffenheit und der zu erwartenden Wetterbedingungen, trifft Pirelli eine Vorauswahl der zu verwendenden Reifenspezifikationen. In 2019 standen insgesamt 5 verschiedene Specs für trockene Streckenbedingungen bereit.  

Karkasse und Gürtel sorgen für die Festigkeit

Die Konstruktion eines Rennreifens beginnt in der Regel mit den Festigkeitsträgern Karkasse und Gürtel sowie der Wulst und der Lauffläche. Die Karkasse „fesselt“ den Luftdruck und hält die Luft mit dem so genannten Innerlining im Reifen. Der Wulst hält den Reifen auf der Felge und der Gürtel sorgt für ein gutes Handling. Die Lauffläche ist Garant für die eigentliche Kraftübertragung auf die Strecke. In der Stoffvorbereitung werden alle Cordfäden (Stahl, Nylon, Aramid, Rayon) mit so genannten Aufpressmischungen (Toping Compounds) gummiert.

Unterschiedliche Mischungen für unterschiedliche Funktionen

Bei den einzelnen Bestandteilen eines Reifens gilt: Gummi ist nicht gleich Gummi. Die jeweiligen Mischungen müssen unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden. Der Laufstreifen verlangt eine Mischung für maximalen Grip. Bei den Mischungen für Karkasse und Gürtel stehen eher die dynamische Beständigkeit und die Haftung mit Festigkeitsträgern im Vordergrund. Der Grundstoff ist jedoch immer der gleiche: Es handelt sich um Kautschuk. Zum Einsatz kommt sowohl natürlicher als auch synthetischer Kautschuk, der in der Reifenproduktion mittlerweile die Hauptrolle spielt.  

Der Kautschuk wird mit Beimischungen wie zum Beispiel Rußen, Silica und Füllstoffen sowie Weichmachern versetzt. Die weichere Laufflächenmischung eines Regenreifens enthält mehr Weichmacher, Harze und Öle als der Slick. Zusätzlich wird auch Silica hinzugemischt, um ein besseres Nasshandling und ein besseres Bremsverhalten bei Nässe zu erreichen. Gleichzeitig erhöht Silica auch die Verschleißfestigkeit des Regenreifens im Renneinsatz – zumindest solange der Reifen bei abtrocknender Rennstrecke und fehlender Kühlung nicht überhitzt. Die exakten Rezepturen der verwendeten Mischungen bleiben allerdings ein streng gehütetes Geheimnis.

Optimaler Grip entsteht erst bei richtiger Arbeitstemperatur

Hält man einen Reifen in den Händen, so ist nicht immer der erste (Ein-)Druck der Lauffläche auch der Richtige. Denn wenn bei der so genannten Nagelprobe mit dem Finger ein Reifen weicher ist als ein anderer, so muss das nicht unbedingt für die Laufflächenmischung nach Erreichen der Arbeitstemperatur (85 bis 140 Grad Celsius) gelten – siehe nebenstehende Grafik der Pirelli- F1-Reifen.

Verantwortlich für den Zeitpunkt, wann ein Reifen richtig anspricht – also den optimalen Wirkungs- und Haftungsgrad erreicht – sind unter anderem die Mischung und die Konstruktion des Unterbaus. 

Während im Motorsport früher Diagonalreifen eingesetzt wurden, bei denen die Cordfäden der einzelnen Lagen schräg zur Fahrtrichtung angeordnet sind, basieren moderne Rennreifen heute auf einer Radialkarkasse. Bei diesen Radialreifen sind die Cordfäden im 90-Grad-Winkel zur Laufrichtung angeordnet. Ein besonderes Kennzeichen im Reifenaufbau ist eine nahtlos umlaufende Nylon-Bandage zur Abdeckung des Stahlgürtels – auch Jointless Nylon Band genannt. Dieses Band sorgt für die Erhaltung der Gleichförmigkeit der Aufstandsfläche – besonders in oberen Geschwindigkeitsbereichen. Gleichzeitig garantiert das JLB ein hohes Maß an Schnelllaufsicherheit und Strukturfestigkeit. Während beim Pkw-Reifen das JLB lediglich aus Nylon oder einem Nylon-Hybrid-Material besteht, wird für den Rennreifen ausschließlich Aramid verwendet. Durch Aramid wird der Reifen steifer, weil sich das Material nicht ausdehnt.

Tests im Labor und auf der Rennstrecke

Wie neue Entwicklungen schließlich in der Praxis funktionieren, wird mit Prototypen in intensiven Tests unter Laborbedingungen und auf der Rennstrecke untersucht. Rechtzeitig vor dem Saisonende sind die für die Entwicklung eines Rennreifens erforderlichen Daten definiert, so dass die Tests mit neuen Pneus bereits kurz nach dem Saisonfinale beginnen können. Reale Tests am Fahrzeug erfolgen in enger Zusammenarbeit mit den Rennteams. Um zu überprüfen, welchen Effekt neue Konstruktionen oder modifizierte Mischungen haben, wird Schritt für Schritt immer nur eine Spezifikation an dem Rennreifen geändert. 

Wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von Straßenreifen

Die Erfahrungen, die auf der Rennstrecke gesammelt werden, setzen die Reifenhersteller bei der Entwicklung von Straßenreifen ebenfalls um. Schließlich gibt es keine bessere Methode zum Testen von Prototypen als im sportlichen Einsatz, deshalb werden die Entwicklungserkenntnisse von Rennreifen auf die Reifen für den Alltagsgebrauch übertragen. Die Entwicklung von Straßenreifen dauert ungefähr anderthalb bis zwei Jahre bis zur Serienreife und erfolgt in der Regel in enger Zusammenarbeit mit den Automobilherstellern. Schon recht früh bezieht die Automobilindustrie ihre Reifenpartner in die Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells mit ein. Denn der Reifen ist das Bauteil des Fahrwerks, das den Kontakt zwischen Auto und Straße herstellt und deshalb genau zu den neuen Fahrzeugen passen muss.

Ständige Qualitätskontrolle

In der Reifenproduktion werden die verschiedenen Bauteile eines Rennreifens unter ständiger Qualitätskontrolle hergestellt. An der so genannten Aufbaumaschine treffen diese Bauteile zusammen, aus denen der Reifen nach genau vorgegebenen Arbeitsabläufen zum Reifen-Rohling – Fachleute sprechen auch von einem „grünen Reifen“ – zusammengesetzt wird. Die letzte Station der Produktion ist die Heiz- und Vulkanisationspresse. Unter den Parametern Druck, Temperatur und Zeit erhält der Reifen sein endgültiges Gesicht. Circa zehn bis 15 Minuten wird der Rennreifen bei ungefähr 175 Grad Celsius und einem Innendruck von rund 15 bar vulkanisiert, also sozusagen „gebacken“. Dabei wird aus den bisher plastischen Kautschukmischungen elastischer Gummi und die einzelnen Bauteile verschmelzen miteinander und der Reifen erhält seine finale Form. (Vulkanisation). Anschließend erfolgt erneut eine Qualitätskontrolle. Zunächst wird der Reifen auf Uniformity-Schwankungen geprüft. Dabei werden auf einem Messrad mögliche Radial- und Lateralschwankungen gemessen. In einem weiteren Schritt erfolgt eine Röntgenkontrolle, ehe der Reifen abschließend per Sichtkontrolle auf Mängel (innen und außen) untersucht wird. Bei der kleinsten Überschreitung von Toleranzwerten wird der Reifen nicht ausgeliefert.